Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung
Du sollst nicht an der Not eines anderen verdienen. Dieses jahrtausendealte Wucherverbot in allen Gesetzbüchern wie z.B. §138 Abs.2 Bürgerliches Gesetzbuch trifft die Bösartigkeit derjenigen, die statt bei Not zu helfen diese Schwäche ausnutzen. Doch in der Industriegesellschaft ist es nicht mehr die Bösartigkeit der einzelnen, sondern, wie es der Bundesgerichtshof zu seinem neuen Verständnis von §138 Abs.1 BGB gemacht hat, die systematische und alle Grenzen überschreitende Ausbeutung von Armut durch Systeme, in denen sich die Schwachen verfangen und mit denen die höchsten Gewinne erzielt werden können. Hier wollen wir eingreifen, auch dort, wo unsere Vorstellung von Wucher weiter geht als die bisherigen Urteile. Der Wucher hat verheerende Folgen für den Sozialstaat aber auch für die Würde der Menschen.
Weil Geld den Zugang zu allen lebensnotwendigen Leistungen ermöglicht aber auch versperrt, der Kredit dies temporär durch Mobilisierung zukünftigen Einkommens lindern kann, sind die Gelddarlehen und hier vor allem Raten- und Überziehungs-, Kreditkarten und Kleinkredite für Wucherer besonders attraktiv.
Kreditzinsen werden durch wucherische Zusatzprodukte und Umschuldungen um ein Vielfaches erhöht. Besonders prekär ist die Situation für bereits Verschuldete, die an ihren Kreditgeber gebunden sind und allgemein für Ausländer, Migranten, alleinstehende Frauen und gescheiterte Existenzgründer.
Wucher als System im Kreditbereich
Dem einzelnen Kredit, so wie er bisher noch ausgewiesenen werden darf, sieht man den Wucher nicht an. Es sind die Abfolge immer neuer Kredite mit aufgezwungenen Restschuldversicherungen, die man nicht ablehnen kann, wenn man auf diesen Kreditgeber angewiesen ist. Kann ein Verbraucher einen Kredit nicht mehr bedienen oder braucht er dringend Zusatzkredit, so muss er sich an seinen bisherigen Kreditgeber wenden. Schuldet er zwei Kreditraten und 5 bzw. 10% der Restsumme, so darf die Bank den Kreditvertrag kündigen. Sie kann aber auch den Verbraucher zwingen, zum eigenen Schaden sein jederzeitiges Kündigungsrecht auszuüben. Er schuldet jetzt alles, wo er nicht einmal die aktuellen Raten zahlen konnte. Unsere Fallsammlung zeigt noch viele weitere Strategien des systematischen Wuchers. Die Bank kann bei jeder Umschuldung einen neuen Zinssatz, neue Produkte, Raten etc. „vereinbaren“. Der Verbraucher wird alles akzeptieren, weil er keine Alternative hat. Es werden weitere Produkte wie Kreditausfallversicherungen des Kreditgebers dem Verbraucher als Lebens-, Arbeitsunfähigkeits- und Berufsunfähigkeit verkauft.
Wucher mit notleidenden Krediten
Zum Kreditwucher gehört als letzter Schritt noch das Inkasso. Durch systematische Übergabe notleidender Kreditnehmer an die Inkassobranche werden nicht nur Beitreibungsmethoden möglich, die verboten sind. Es werden auch als Schadensersatz deklarierte erhebliche Kosten verursacht, die letztlich auch teilweise wieder vor allem wucherischen Kreditgebern zugutekommen. Verflechtungen und Abhängigkeiten, Scheinselbständigkeit und Missbrauch von Anwaltsadressen für unberechtigte Honorarforderungen runden das Wuchersystem ab.