Der Bundesgerichtshof benutzt bei seiner Wucherprüfung einen finanzmathematisch errechneten Effektivzinssatz, in dem zumindest alle Kosten einbezogen werden müssen, die nach der PreisangabenVO zu berücksichtigen sind. Das Kammergericht hat dies nun für die dubiosen Zwitter festgestellt, die sich formal nur als Vermittler zwischen Bank und Kunde sehen.

In unserer Kreditwucherberatung sind wir wiederholt auf Kredite gestoßen, bei denen die Vermittler quasi wie Kreditgeber auftreten und sich damit der Bankenaufsicht entziehen.

Das Problem: Verwandlung vermittelter Kleinkredite in Wucherkredite der Vermittler [Vexcash AG/net-m Privatbank 1991 AG]

Eine besonders auffällige Umgehung der Bankaufsicht und des BGB stellen Kreditanbahnungn durch Kreditvermittler dar, die Kleinkredite angeblich „unentgeltlich“ vergeben, die sofort (2 Tage) wieder fällig werden bzw. max. auf zwei Monate laufen, so dass sie gem. § 491 Abs.2 S.2 Ziff. 3 BGB vom Verbraucherschutz ausgenommen sind. Sie sind oft von Anfang an faktisch nicht rückführbar. Das ermöglicht es, zusätzliche entgeltliche Dienstleistungen des Vermittlers zu verkaufen, ohne die der Kredit keinen Wert hat. Sie werden aber bei dessen Kosten im Effektivzins nicht berücksichtigt. Wird der Kredit nach Erhebung der Kosten gekündigt, so erhält man befreit vom Bankrecht die Forderung abgetreten sowie die zusätzlichen Kosten für Inkassoinstitute und Anwälte. Außerdem erlaubt dies eine bankfreie Ratenvereinbarung mit höheren Kosten mit Einwilligung der Verbraucherin. Den nachfolgenden Fall haben wir dem Amtsgerichtsurteil entnommen, das Vexcash als Rechtfertigung beigelegt hat.

Fall 14: Inkassokleinkredit [Vexcash AG/net-m P1891 Privatbank]

Herr X hatte im Dezember 2013 bei der Vexcash AG auf dem Internet den dort als „Mikrokredit“ bezeichneten Kredit über 1000 € beantragt, der bewilligt wurde. Nach den Konditionen sollte der Kredit mit 13,9% p.a. verzinst werden. Im Vertrag hieß es: „Auf Basis der vereinbarten Konditionen ergibt sich eine Vertragslaufzeit von 2 Tagen“ Danach folgt der Hinweis, dass bei „Einmalzahlung der Kredit nach 30 Tagen“ fällig werde. Bei zwei Raten sollten es 60 Tage sein. Rückzahlbar waren 1017,41 € sein.  Die Nachrechnung ergibt einen Zinssatz von 14,54%, der den zum Abschlusszeitpunkt geltend Marktzinssatz von 7,66% p.a um 90% übersteigt, so dass die Wuchergrenze nicht erreicht scheint. Tatsächlich aber fordert laut Gericht die Vexcash AG im Mahnverfahren für den Kredit 1.020,05 € zzgl. einer Bearbeitungsgebühr von 80 € zurück. Bucht man sie zum Vertragszeitpunkt, so erhöht sich bereits der effektive Jahreszins auf 116,31% p.a. Die Überschreitung beträgt dann 1418%.

Doch dies sind noch nicht alle Kosten. VexCash hat daneben einen „Dienstleistungsvertrag“, von dem sie ebenso wie das ein Amtsgericht davon ausgehen, dass diese Dienste separat vom Kredit gegeben werden. Dazu gehören 170 € dafür, dass die VexCash es angeblich schafft, den negativen SCHUFA-SCORE-Wert durch einen selbsterstellten Scorewert bei der net-m 1891 Bank zu ersetzen und damit den Kredit, der angeblich nur bis 400 € zu rechtfertigen wäre, möglich zu machen. Begründung für diese Akzeptanz der Bank ist, dass der SCHUFA-Score nur für Kredite ab 24 Monaten gilt. Das ist unzutreffend, weil er auch bei Kontoüberziehung und Kreditkarte benutzt wird und sich auf die Schuldhöhe und die Person bezieht, nicht aber auf Laufzeiten. Dass dies mit den Prüfungspflichten für Kredite kollidiert muss die BAFIN feststellen.

Weiter nimmt VexCash dafür, dass der Kredit in zwei Raten zurückgezahlt werden kann („max. 60 Tage“) 49 € und wenn man die 6 Rattenoption (180 Tage) wählt „ab 59 €“. Außerdem wird noch ein Expressüberweisungsservice für die Auszahlung in Höhe von 39 € sowie ein gebührenpflichtiger Stundungsvertrag („individuelle Vereinbarung mit dem Kunden“ angeboten. Rechnet man diese separierten Kreditleistungen in den Effektivzins ein, so beträgt überschreitet der effektive Jahreszins alle Dimensionen und erreicht  Werte, die wir in Deutschland bisher nur aus den payday loans in Großbritannien kennen.

Damit nicht genug enthält der Vertrag die Klausel: „Abtretung, der Kunde stimmt mit Unterzeichnung des Vertrages zu, dass bei nicht fristgemäßer Darlehensrückzahlung (also unabhängig von einer Kündigung U.R.) die VexCash AG in die offene Forderung (Notleidenden Kredit) des Darlehensvertrages mit der P1891 Bank eintritt, die Forderung erwirbt und Vexcash damit die Forderung gegen den Kunden geltend machen kann.“ Dies ist der Freibrief für eine Stundungsvereinbarung, bei der der notleidende Kreditnehmer keine Artikulationschance mehr hat.

Die Amtsrichterin hat den Vertrag ebenso wie die Abtrennung der Dienstleistung als gültig angesehen. Effektivzinssätze wurden nicht berechnet. Die Sittenwidrigkeit beim Doppelten des Üblichen war nicht bekannt. Es wurde nur nach §138 Abs.2 BGB geprüft, ob der Vertrag „dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“ widerspricht. (Sachverhalt nach Urteil des AG Mönchengladbach-Rheydt v. 23.10.2015 20 C 344/14 zugunsten der Anbieter.)

Das Kammergericht (s.u.) hat diese nun klar gestellt. Zusatzkosten sind einzubeziehen.

Fall 15: Vermittelte Überschuldung [Vexcash/net-m 1591 Privatbank]

Herr K. hat sich in Kredite verstrickt. Die SCHUFA_Auskunft nennt die bekannten Namen wie TargoBank, Santander, Barclays Ltd, smava/Fidor, Auxmoney/SWK und besonders häufig vexcash letztere ohne Nennung der Bank, was darauf schließen lässt, dass die net-m 1891 alles dem Vermittler überlässt.

Herr X kann seine Raten nicht mehr bezahlen und versucht mit Kleinkrediten sich über Wasser zu halten. Unter den vorstehend beschriebenen Konditionen beantragt und erhält er am 18.4.2017 bei vexcash/net-m 1891 Privatbank ein Darlehen über 600€. Ein Schuldnerberater hält die Forderungen der vexcash für nicht berechtigt, da zusätzlich zur Rückzahlungssumme von 600 € Dienstleistungsgebühren in Höhe von 239 € erhoben werden. Diese Summe setzt sich zusammen aus der Expressüberweisungsfunktion i.H.v. 39 €, der Ablösung des Schufa-Score durch einen eigenen Wert („Bonitätszertifikatsfunktion“) mit dem die angebliche Beleihungsgrenze von 150 .- € auf 600 € angehoben wurde mit Kosten von weiteren 50 €. VexCash betont, dass die Zahlung „freiwillig“ war. Die „sechs-Raten-Option“ kostete 150 €. Vermittlerrecht sei nicht anwendbar, da „die Vermittlung des Darlehens unentgeltich sei“.  Damit erhöhte sich der Kreditbetrag von 600 € auf 950 € ohne Zinsen. Die vexcash unterbreitet dann ein „Anerkenntnis/Stundung/‘Ratenzahlungsvereinbarung“ über diese Summen. In dieser Vereinbarung kostet nun die Verlängerung auf 6 Monate oder auch nur 2 Monate 100 € extra. Am 18.10.2017, also vier Monate nach Vertragsschluss  verlangt Vexcash für den Kredit in Höhe von 600 € von Herrn X 1007,63 €. Bei Nachfrage wird an einen Rechtsanwalt verwiesen, der als email inkasso@kpb-rechtsanwalt.de sowie als Webadresse „Schuldnerservice: http://die-inkasso-rechtsanwaelte“ angibt, was die Zielrichtung der Konstruktion verdeutlicht.

Da sich alle „Dienstleistungen“ auf Leistungen beziehen, die nur eine Bank bei Kreditvergabe gewähren kann oder muss, lässt sich vexcash diese Anmaßung bezahlen, was zum erstaunlichen Effekt führt, dass sogar das beigelegte Amtsgerichtsurteil keine Probleme mehr sehen kann und Bankaufsichtsrecht nicht einmal in Betracht gezogen wird.

Der SCHUFA-Auszug macht das Umschuldungskarussell deutlich. Die Kleinkredite sind Teil eines revolvierenden Kreditsystems, bei dem die Überschuldung objektiv angestrebt wird, weil daraus erhebliche Vorteile durch Neuabschlüsse gezogen werden können. Der SCHUFA-Eintrag zeigt Einträge von jeweils 150 €, die entweder ordnungsgemäß umgeschuldet oder getilgt worden seien. Der erste Eintrag erfolgte am 7.9.2016, dann fortlaufend 4.10.2016, 9.11.2016. 15.12.2016, 18.1.2017, dann wieder 7.3.2017, 18.4.2017. Zum 12.3.2018 wird eine Kündigung gemeldet und die Forderung betrage 610 €. Alle Bankanfragen sind zudem dokumentiert und garantieren, dass die Chance auf einen marktüblichen Kredit nicht mehr besteht. Ein einziger Kreditvermittler hat es daher in der Hand, die SCHUFA-Einträge so zu gestalten, dass keine anderen Kreditmöglichkeiten mehr bestehen und der Verbraucher wirtschaftlich sogar noch von der Wohnungsmiete ausgeschlossen wird.

Urteil des Kammergerichts vom v. 27.09.2019 – Az.: 5 U 128/18

(wortwörtliche Auszüge, kursiv vom Verf.)

„Leitsatz: Kreditvermittler muss Zusatz-Entgelte (hier: für Bonitätszertifikate) mit in den Effektivzins einrechnen

Entscheidungsgründe „a) Der Kläger hat gegen die Beklagte den geltend gemachten Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 3, § 3, § 3a UWG in Verbindung mit § 6a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4, § 6 Abs. 3 Satz 1 PAngV.

(Verbindung zum Vertrag) aa) Die Kosten des angebotenen Bonitätszertifikats sind sonstige Kosten, die der Verbraucher im Zusammenhang mit dem Verbraucherdarlehensvertrag zu entrichten hat. (1) Die Kosten stehen im Zusammenhang mit dem Verbraucherdarlehensvertrag. Dies setzt eine im weiten Sinne bestehende kausale Verknüpfung mit dem Darlehensvertrag voraus; die Kosten müssen ihre Ursache letztlich in diesem Vertrag haben (Köhler in: ders./Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Auflage 2019, PAngV § 6 Rn. 9).

(Ausbeutung von Not) (2)    Der Verbraucher hat die Kosten auch zu entrichten. Denn sie sind bei wirtschaftlich-lebensnaher Betrachtung regelmäßig für die Darlehensvergabe obligatorisch. Die Werbung zielt in erster Linie auf Kunden mit schlechter Bonität ab. Dies folgt bereits aus den Konditionen der Darlehensgewährung. Der Höchstbetrag des Darlehens beträgt 3.000 EUR (LGU S. 2), bei Erstkunden sogar nur 500 EUR. Die maximale Laufzeit beträgt 30 Tage und der effektive Jahreszins 13,9 %. Kunden, die bei diesen Konditionen, einen Kredit in Anspruch nehmen, haben nach allgemeiner Lebenserfahrung entweder bei ihrer Hausbank keinen Dispositionskreditrahmen oder diesen bereits ausgeschöpft. Andernfalls würden sie diesen in Anspruch nehmen, weil dies weniger Aufwand bedeuten würde und vergleichbare Zinsen geschuldet wären, die Rückzahlung jedoch flexibler und zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen könnte. In der Regel handelt es sich bei diesen Kunden damit um Kunden mit schlechter Bonität. Die Fälle, in denen Kunden mit mittlerer bis guter Bonität keinen Dispositionskredit eingeräumt bekommen (wollen), bleiben bei der Betrachtung als vereinzelte Ausnahmefälle außer Betracht.

(Ausnahmen bestätigen die Regel) Sollte in Einzelfällen ein Kredit auch ohne Bonitätszertifikat gewährt werden, stünde dies der Annahme von obligatorischen Kosten nicht entgegen, weil die maßgeblichen Vorschriften der PAngV dem Verbraucherschutz dienen und aufgrund des hohen Wertes des Verbraucherschutzes insoweit eine typisierende Betrachtung geboten ist.

Es ist hier auch unerheblich, dass der Erwerb eines Bonitätszertifikats im Darlehensantragsvorgang als fakultative Auswahloption gewählt werden kann und als „Extra“ bezeichnet wird. Denn dies besagt nur, dass nicht alle Kunden, die einen Darlehensantrag über die Beklagte stellen, ein Bonitätszertifikat erwerben. Es belegt hingegen nicht, dass ein nennenswerter Anteil der Kunden anschließend auch ohne ein Bonitätszertifikat der Beklagten ein Darlehen erhält.“